Zum Hauptinhalt springen

Seit 16 Jahren im Duett für Jugend debattiert

Wenn es um Jugend debattiert geht, sind Dr. Klaus Sundermann und Andreas Jaeger aus Mainz ein eingespieltes Team. Der eine als Leiter des Referats 9412C im Ministerium für Bildung in Rheinland-Pfalz, der andere als Leiter des Referats K1 im Landtag. Was sich hinter der Buchstaben-Zahlen-Kombination ihrer Referate verbirgt, warum die Zusammenarbeit so gut funktioniert und worauf es dabei ankommt, erzählen uns die beiden Herren im Interview.

Aufgaben im Ministerium und im Landtag

Herr Dr. Sundermann, was ist Ihre Aufgabe als Leiter des Referats 9412C im Ministerium für Bildung in Rheinland-Pfalz? Und wofür steht 9412C?

Als Referatsleiter und stellvertretender Leiter der Gymnasialabteilung bin ich für Gymnasien, Kollegs und Abendgymnasien in schul- und fachaufsichtlichen Angelegenheiten zuständig. Zum Beispiel liegt in meiner Verantwortung alles, was mit Latein, Griechisch oder Philosophie zu tun hat, von der Lehrplanentwicklung über Handreichungen und Schulprojekte bis zu Abitur- oder Latinumsprüfungen. Eine besonders schöne, aber auch arbeitsintensive Querschnittsaufgabe ist die Betreuung aller Schülerwettbewerbe, zu denen natürlich auch Jugend debattiert gehört. 9412C ist ein Zahlenspiel: 9 steht für das Bildungsministerium, 4 und das angehängte C für die Schulabteilung Gymnasien, 1 für die Gruppe der sechs schulaufsichtlichen Referate, von denen meines das zweite ist, daher die 2.

Herr Jaeger, Sie sind im Landtag Rheinland-Pfalz in der Abteilung Kommunikation beschäftigt, im Referat K 1. Was ist Ihre Aufgabe – und wofür steht K 1?

Ich bin stellvertretender Leiter der Abteilung Kommunikation in der Verwaltung des Landtags Rheinland-Pfalz und leite dort das Referat K 1 - Politische Bildung I. Dahinter verbergen sich ganz unterschiedliche Bildungsangebote des Landtags für Kinder, Jugendliche und Multiplikatoren. Die vielfältigen Projekte, die ich seit über 20 Jahren in meinem Referat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen durchführe, reichen von Besuchsprogrammen, Seminaren und Workshops über den jährlichen Schüler-Landtag bis hin zu Kooperationsprojekten wie etwa Jugend debattiert oder der Juniorwahl – und vieles mehr. Mein Auftrag hat sich dabei in den letzten 20 Jahren aber nicht verändert: Wir möchten mit unseren Projekten Kinder und Jugendliche so früh wie möglich für Politik interessieren, indem wir Distanz zur Politik abbauen und sie zur politischen Teilhabe nicht nur ermutigen, sondern ein Stück weit auch befähigen. Auf diese Weise wollen wir junge Menschen für die Demokratie begeistern.

Zusammenarbeit im Bundesland Rheinland-Pfalz

Unsere Zusammenarbeit ist sehr partnerschaftlich und beruht auf gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen. Das schließt im Übrigen alle an dem Projekt Beteiligten mit ein [...]. Andreas Jeager Ansprechpartner im Landtag Rheinland-Pfalz

Herr Dr. Sundermann, an welchen Punkten treffen Sie sich inhaltlich mit Herrn Jaeger, wenn es um Jugend debattiert geht? Was tun Sie gemeinsam?

Jugend debattiert ist ein Qualitätswettbewerb, der zum einen die sprachliche Bildung und zum anderen die Demokratiebildung fördert und sich in seinem Konzept an der parlamentarischen Debatte orientiert. Wir treffen uns in dem gemeinsamen, ganz zentralen Anliegen, die Demokratiebildung von Kindern und Jugendlichen zu stärken und sie über ein attraktives Wettbewerbsformat an die Arbeitsweise des Parlaments heranzuführen. Über die Debatteninhalte sollen Schülerinnen und Schüler sich für politische Themen interessieren und engagieren, fundiert mitreden und auch lernen, ihrem Gegenüber zuzuhören und seine Meinung auf der Basis demokratischer Werteorientierung zu respektieren.

In Zusammenarbeit mit dem Landesbeauftragten für Jugend debattiert in Rheinland-Pfalz planen und organisieren wir die Landesebene: das Seminar für Regionalsiegerinnen und Regionalsieger, die Qualifikationsrunden und das Landesfinale. Dabei ist der Landtag auch Gastgeber und Förderer. Auf der operativen Ebene arbeiten wir Hand in Hand.

Wieviel Zeit verbringen Sie gemeinsam für Jugend debattiert?

Wir treffen uns in jedem Jahr zu einer gemeinsamen Vorbesprechung und dann zur Durchführung der Qualifikationsrunden und des Landesfinales, ein Event, das – wenn nicht durch die Pandemie beeinträchtigt – an einem Tag zusammengefasst wird. Da begrüßen wir uns morgens um halb neun und verabschieden uns nachmittags um fünf.

Herr Jaeger, wie erleben Sie die Zusammenarbeit? Was zeichnet sie aus?

Unsere Zusammenarbeit ist sehr partnerschaftlich und beruht auf gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen. Das schließt im Übrigen alle an dem Projekt Beteiligten mit ein, ich will hier stellvertretend nur den Landesbeauftragten und Landeswettbewerbsleiter Dr. Hilgart nennen. Im Hinblick auf diese enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit ist Rheinland-Pfalz, auch im Bundesvergleich glaube ich, schon etwas Besonderes. Wir sind über die Grenzen der jeweiligen Institutionen hinweg ein gutes Team.

Herr Dr. Sundermann, sind Sie sich immer einig? Duzen oder siezen Sie sich mit Herrn Jaeger?

Sich immer einig sein – das klingt ungewöhnlich; aber mir fällt jetzt nichts ein, wo wir Meinungsverschiedenheiten hätten. Es ist eine freundschaftlich-kollegiale Zusammenarbeit mit sehr kurzen Wegen, auch wenn wir nicht per Du sind. Und es ist eine lange Zusammenarbeit: seit 16 Jahren!

Besonderheiten und Herausforderungen von Jugend debattiert

Herr Jaeger, welche Besonderheit stellt Jugend debattiert in Ihrem Aufgabenbereich dar?

Lassen Sie mich das mit einer kleinen Anekdote erläutern: Als ich vor gut 20 Jahren meine Tätigkeit in der Landtagsverwaltung aufgenommen habe, wurde ich vom damaligen Landtagspräsidenten um ein Votum zu einem neuen Projekt gebeten. Er hatte von einem Debattierformat in einem anderen Landesparlament gehört. Hätten die Hertie Stiftung und der Bundespräsident im Jahr 2001 diesen Wettbewerb - es war Jugend debattiert in Hamburg - nicht ihrerseits aufgegriffen und bundesweit auf den Weg gebracht, hätte ich damals wahrscheinlich ein vergleichbares Format für den Landtag entwickeln dürfen. Auf meine Anregung hin hat der Landtag dann aber sehr schnell Jugend debattiert unterstützt. Seit 2004 findet das Landesfinale auf Einladung des Landtagspräsidenten im Plenarsaal statt und seit 2011/2012 wird der komplette Landeswettbewerb gemeinsam vom Bildungsministerium und dem Landtag durchgeführt. Für mich war das eine Herzensangelegenheit, weil der Wettbewerb ideal zum Engagement des Landtags im Bereich der Demokratieerziehung passt und unsere eigenen Projekte sehr gut ergänzt. Insofern ist Jugend debattiert für mich immer noch etwas Besonderes.

Gibt es besondere Herausforderungen?

Wir unterstützen als Landtag die Bemühungen, Jugend debattiert für neue Zielgruppen zu erschließen. Dabei geht es vor allem darum, niedrigschwellige Zugänge zu diesem tollen Format der politischen Bildung zu eröffnen, etwa über Projekte wie Jugend debattiert für Sprachlerngruppen oder Jugend debattiert für die Klassenstufen 5-7. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir über diese Ansätze außerhalb des eigentlichen Wettbewerbs Kinder und Jugendliche für das Debattieren gewinnen können, die sich das selbst vielleicht gar nicht zutrauen würden.

Herr Dr. Sundermann, wie wichtig ist es, dass die Länder Partner von Jugend debattiert sind?

Jugend debattiert ist seit seiner Gründung ein Kooperationsprojekt von Stiftungen und Ländern, seit 2019 gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die Beteiligung der Länder ist konstitutiv, und zwar die Beteiligung aller Länder. Bei allen Überlegungen zur Veränderung des Konzepts und zur Gewichtung von Finanzierungsanteilen in der Vergangenheit war die Einbindung der 16 Länder stets conditio sine qua non. Der Weg vom Klassenentscheid über den Schul- und Regionalwettbewerb bis ins Landesfinale erfordert einen hohen Organisationsaufwand und Personaleinsatz, der mit Koordinierungsbeauftragungen, Freistellungen, Entlastungsstunden, Dienstreisen und Schulfahrten, Trainings- und Fortbildungsangeboten einhergeht. Das ist ohne die Länder nicht zu stemmen. Das Rheinland-Pfalz-Team ist da gut aufgestellt und übrigens hoch motiviert: Wir alle sind Fans von Jugend debattiert.

Sollte sich bei Jugend debattiert etwas ändern - was darf so bleiben?

Neue Ideen im Sinne einer Potenzial- und Weiterentwicklung sind immer willkommen, zum Beispiel die Erschließung neuer Zielgruppen wie jüngere Schülerinnen und Schüler, Kinder aus Migrantenfamilien, Schülerinnen und Schüler aus nichtgymnasialen Schulen – letzteres ist eine Dauerherausforderung. Das Netzwerk bietet zusätzliche Optionen, zum Beispiel bei den internationalen Wettbewerben von Jugend debattiert eine Zusammenführung internationaler Teams in den Debatten.

Was bleiben muss, hängt an dem Grundsatz „Qualität vor Quantität“. Neben der durch die Förderung des BMBF abgesicherten Organisation des Bundesfinales auf hohem Niveau und der professionellen Unterstützung von Trainings-, Schulungs- und Fortbildungsformaten ist die Sicherung und Kontrolle von Qualitätsstandards eine zentrale Aufgabe, die wichtiger als eine Ausdehnung in die Fläche oder die Erschließung weiterer Standorte ist.  Die Programmleitung und das Team der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung leisten diese Aufgaben übrigens ganz hervorragend – vor allem das darf so bleiben, und dafür ein ganz großes Dankeschön!

Die Beteiligung der Länder ist konstitutiv, und zwar die Beteiligung aller Länder. Dr. Klaus Sundermann Ansprechpartner im Rheinland-pfälzischen Ministerium

Was ist Ihre Meinung dazu, Herr Jaeger?

Über die Herausforderungen habe ich schon gesprochen. Was aber unbedingt bleiben muss, das ist die Attraktivität des Wettbewerbs. Ganz wichtig ist dabei die große Wertschätzung, die wir insbesondere den Jugendlichen, aber auch allen anderen an Jugend debattiert Beteiligten entgegenbringen. Zurzeit erleben wir leider allzu oft, dass wichtige politische Debatten von Hass und Hetze überlagert werden. Vor diesem Hintergrund leistet Jugend debattiert einen wichtigen Beitrag zu einer demokratischen Streitkultur und stärkt damit auch unserer Demokratie.

Haben Sie beide auch im persönlichen oder privaten Umfeld Erfahrungen mit Jugend debattiert gemacht?

[Dr. Klaus Sundermann] Ich war schon 2001, als Jugend debattiert in allen Ländern an den Start ging, dabei und bin es mit großer Begeisterung bis heute: Aber es gab natürlich von Anfang an eine Zuständigkeit und damit einen „dienstlichen“ Kontext. Allerdings hat diese Begeisterung auch Familie und Freunde angesteckt, und ich durfte in Abstimmung mit dem Gastgeber einmal meine Frau, ein anderes Mal unsere Tochter und mehrmals befreundete Pädagogen zu den Bundesfinaltagen mitbringen.

[Andreas Jaeger] Oh ja, mein Sohn war in seiner Schulzeit auf einem Gymnasium, das bei Jugend debattiert mitmacht. Bei seiner ersten Teilnahme vor vielen Jahren hat er es auf Anhieb bis in die Qualifikationsrunden für das Landesfinale geschafft. Zu Hause habe ich damals hautnah miterlebt, welche Dynamik dieser Wettbewerb auf all seinen Ebenen entwickelt und wie sehr er die Jugendlichen in ganz unterschiedlichen Kompetenzbereichen nicht nur fordert, sondern auch fördert. Das war sehr beeindruckend.

Das Interview führte Rena Beeg