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Jugend debattiert News

Woche der Meinungsfreiheit: Wie können wir besser streiten? Tipps von der Konfliktexpertin

Allgemeines

Politische Debatten, Diskussionen am Arbeitsplatz oder auf Social Media führen häufig nicht zu größerem Verständnis, sondern vertiefen die Spaltung. Anlässlich der Woche der Meinungsfreiheit gibt die Konfliktexpertin Dana Hoffmann Tipps für eine konstruktive und produktive Auseinandersetzung im beruflichen Umfeld.

Die meisten Menschen scheuen Konflikte, vor allem am Arbeitsplatz. Warum ist es wichtig, sie dennoch auszutragen?

„Ich frage mal zurück: Was passiert, wenn wir Konflikte und die damit verbundenen meist unangenehmen Gefühle ignorieren? Wir empfinden weniger Freude an unserer Arbeit und sind demotiviert, die Krankmeldungen wegen psychischer Probleme häufen sich und einzelne Mitarbeitende kündigen sogar. Ungelöste Konflikte verursachen Stress und Stress macht krank. Das wäre meine sehr vereinfachte betriebswissenschaftliche Antwort. Vor allem sind Konflikte aber auch immer ein Impuls für Veränderungen, fürs Weiterkommen – und es wäre doch schade, diese Chancen nicht zu nutzen. Konflikte treten nicht auf, weil jemand versagt hat. Sie entstehen, weil Menschen unterschiedliche Strategien wählen, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Und genau darum geht es: Bedürfnisse, Gefühle, Prägungen oder Ängste – die müssen wir sichtbar machen, um eine realistische und ehrliche Basis zu schaffen, auf der Konflikte bearbeitet werden können. Einigungen, die aus einem tiefen Verständnis füreinander heraus zustande kommen, bringen uns langfristig weiter als oberflächliche Lösungen auf der Sachebene.“

Wie gelingt es, den Konflikt konstruktiv auszutragen – haben Sie einen oder zwei Tipps, die man ohne große Schulung sofort anwenden kann?

„Ganz zentral ist für mich die Haltung: Du hast etwas gesagt oder getan, das mich verärgert hat – und dafür hattest du einen guten Grund, den ich kennen möchte. Verstehen heißt ja nicht einverstanden sein! Wenn es um praktische Tipps geht, empfehle ich die Basics der Gewaltfreien Kommunikation: Was ist konkret passiert? Verallgemeinerungen wie ‚immer‘ oder ‚ständig‘ bringen dich hier nicht weiter. Beschreibe möglichst genau, was gesagt oder getan wurde. Wichtig ist, dass du von dir sprichst: deine Wahrnehmung, deine Gefühle. Was hat die besagte Situation mit dir gemacht? Welche Gefühle wurden in dir ausgelöst? Und – das ist jetzt für Fortgeschrittene – welches Bedürfnis wurde nicht erfüllt? Was ist dir wichtig? Was brauchst du? Ein Beispiel: Eine Kollegin hat dir eine Mail nicht weitergeleitet, und jetzt fehlen dir wichtige Infos für deine Arbeit. Du bist deshalb wütend, schließlich ist dir Zuverlässigkeit, Effizienz oder ähnliches wichtig.“

Wie kann man einen Streit mit einem Vorgesetzen gut austragen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen?

„Die Grundvoraussetzung ist, dass der/die Vorgesetzte eine entsprechende Haltung hat bzw. dass die Unternehmenskultur Konflikte konstruktiv betrachtet. In einer sehr traditionellen, meist hierarchisch organisierten Firma wird häufiger top-down geführt – das gilt leider auch bei Konflikten. Zum Glück denken in dieser Hinsicht aber immer mehr Unternehmen um, weil sie verstanden haben, dass eine menschenzentrierte Arbeitsweise zeitgemäß und zukunftsfähig ist.“

Wie kann man mit Kolleginnen und Kollegen im Gespräch bleiben, deren Meinung nicht mehr auf Fakten beruht, sondern auf Fake News oder Verschwörungstheorien?

„Wichtig wäre mir hier die Unterscheidung zwischen Mensch und Meinung: Nicht der Mensch als Ganzes ist für mich problematisch, sondern eine Äußerung, die politische Haltung oder ein Social Media-Post. Das ist ein Unterschied, der vor allem bei uns nahestehenden Menschen wichtig sein kann. Dann würde ich es auch so formulieren: ‚Bei Thema XY kommen wir gerade nicht zusammen. Ich schätze dich aber als Kollegin und mir ist unser gutes Verhältnis wichtig.‘ Vielleicht gibt es ja andere Themen, über die es sich zu reden lohnt? Zu einem Gespräch gehören allerdings immer mindestens zwei Personen – und man kann niemanden zwingen.“

Was ist die wichtigste Regel, die man im Umgang mit anders Denkenden beherzigen sollte, ohne sich selbst zu sehr zurücknehmen zu müssen?

„Meine wichtigste Regel ist: Ich muss verstehen wollen. Das ist für mich ein halber Schritt zurück, und mit der Frage verbunden, welches Bedürfnis der andere durch sein oder ihr Verhalten gerade befriedigen möchte. Diese Frage stelle ich gar nicht unbedingt laut, es ist eher eine stille Reflexion. Alle Menschen haben die gleichen Bedürfnisse. Und alle Bedürfnisse sind positiv. Wenn ich mir das in der Situation bewusst mache, bin ich sofort raus aus der großen Emotion und kann ein ruhiges, konstruktives Gespräch führen.“

Dana Hoffmann ist Konfliktexpertin und Bestsellerautorin. Gemeinsam mit Hendric Mostert gibt sie in ihrem Buch „Conflict Culture Playbook“ Tipps für eine bessere Streit- und Konfliktkultur. Es ist 2024 im Murmann-Verlag erschienen.

Der Workshop „Streiten? Unbedingt – aber richtig! | Warum wir Debattenmethodik und Conflict Culture jetzt brauchen!“ fand im Rahmen der Woche der Meinungsfreiheit am 7. Mai 2025 im Berliner Büro der Hertie-Stiftung statt. Mit dabei waren neben Dana Hoffmann u. a. Jan-Jonathan Bock, Leiter Jugend debattiert, und Jd-Alumna Laura Werle, die das Start up Snackz.ai gegründet hat.   

 

 

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